In Berlin leben über 300.000 Menschen, die nicht ausreichend lesen und schreiben können. Sie können zwar bestenfalls einzelne Wörter oder Sätze lesen oder schreiben, nicht jedoch zusammenhängende –auch keine kürzeren – Texte. Sie sind aufgrund ihrer begrenzten schriftsprachlichen Kompetenzen nicht in der Lage, am gesellschaftlichen Leben in angemessener Form teilzuhaben. Auch bei einfachen Beschäftigungen misslingt z.B. das Lesen schriftlicher Arbeitsanweisungen. Die aktuellen Studien (leo-Studie, 2011 und PIAAC 2013) belegen, dass funktionaler An-Alphabetismus und mangelnde Grundbildung nicht nur eine kleine Randgruppe betreffen, sondern über 14% der Deutsch sprechenden Bevölkerung. Fast 50% von ihnen sind nicht erwerbstätig. Unter den Arbeitslosen sind über 30 % von funktionalem An-Alphabetismus betroffen. Für sie gibt es kaum zielgruppengerechte Angebote.
Funktionale An-AlphabetInnen, vor allem wenn sie längere Zeit nicht im Arbeitsprozess sind oder noch nie einer Arbeitstätigkeit nachgegangen sind, verlieren zunehmend an Tagesstruktur, Motivation, Kommunikationsfähigkeit und Selbstwertgefühl. Es besteht ein Zusammenhang von Arbeitslosigkeit/Bildungsferne/Armut und Gewaltbereitschaft/Suchtverhalten und chronischen Krankheiten. Um sie zu aktivieren, sind adressatengerechte Angebote erforderlich, die über den Rahmen eines Kurses (1-2mal wöchentlich 1½ Stunden) hinausgehen. Sie benötigen ein niedrigschwelliges Angebot, in dem sie nicht nur ihre schriftsprachlichen Kenntnisse auf- und ausbauen können, sondern insgesamt unterstützt werden, ihre Handlungskompetenz zu entwickeln.
Zielgruppe des Projektes sind langzeitarbeitlose funktionale An-AlphabetInnen mit oft zusätzlich multiplen Vermittlungshemmnissen, die an traditionellen Maßnahmen (mit kurzer Laufzeit für Gruppen von 20 Personen) der Jobcenter nicht aussichtsreich teilnehmen können. Aufgrund ihrer mangelnden Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse sind sie z.B. in diesen Qualifizierungen, aber auch in Beschäftigungsmaßnahmen, die diese Schwäche nicht berücksichtigen, überfordert. Maßnahmeabbrüche und u.U. Sanktionen sind die Folge. Viele Betroffene haben bereits eine Maßnahmekarriere hinter sich und sind dementsprechend demotiviert bzw. haben sich in ihrer Erwerbslosigkeit eingerichtet. Die Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit sowie von An-Alphabetismus sind gravierend: fehlende Tagesstruktur, gesundheitliche Beeinträchtigungen, mangelnde Ausdauer, geringes Selbstwertgefühl, Isolation, Sucht o.ä.. Die Beseitigung von Grundbildungsdefiziten insbesondere im Lesen und Schreiben stellt jedoch eine Motivation dar, die in diesem speziell darauf ausgerichteten Projekt, genutzt werden soll, um die Betroffenen zu aktivieren, für sich eine Perspektive zu entwickeln, und ihnen grundlegende Kenntnisse in Theorie und Praxis zu vermitteln, die ihre Beschäftigungsfähigkeit erhöhen.