Match My Maker- Inklusion und soziale Innovation

Ein Gespräch mit Yi-Cong Lu, Projektleiter, Designer und Produktentwickler beim Trägerverein be able e.V.

BT (BERLIN TRANSFER): Sie sind Produktdesigner und haben an der Hochschule unterrichtet. Was hat Sie zum Verein be able geführt?

YCL (Yi-Cong Lu): Ich habe an der Kunsthochschule die Grundlagen vermittelt, wie man ein Designer wird. Im Laufe dieser Arbeit hat mich immer mehr der psychologische Aspekt interessiert: Wann trauen sich Menschen zu, kreativ zu sein, und wann gelingt es, Menschen über bestimmte Hürden in ihrem Kreationsprozess hinwegzukommen? Da braucht man eine gewisse psychologische Resilienz. Deswegen habe ich nach Ende meiner Gastprofessur nach etwas gesucht, das in diese Richtung geht, wo ich Menschen nicht ausbilde, um professionell Produkte zu entwickeln, sondern um die psychologische Sicherheit zu erlangen, die notwendig ist, um selbst kreativ zu sein.


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BT: Wie wird diese Sicherheit gefördert?

YCL: Ein Aspekt ist, dass die Menschen in der Lage sind, ‚breit‘ zu denken. Denn Designlösungen sind oft Lösungen für unscharfe Probleme, für die es keine klare Lösung gibt. Da muss man abstrakt und kreativ denken, zwischen den Kategorien springen und Elemente aus anderen Lebensbereichen für die Lösung heranziehen. Man muss auch lernen, nicht an Dingen festzuhalten: sich zwar so sehr mit dem Problem identifizieren, um daran arbeiten zu wollen, aber auch nicht so sehr, dass man von der Lösung, die man gefunden hat, gar nicht mehr loslassen kann. Das heißt, die Teams erleben bei uns oft, dass sie scheitern.

BT: Wie gehen sie damit um?

Im „Design Thinking“ heißt es: „fail fast, fail forward!“. Teams, die sich trauen, früh zu scheitern, und beim Scheitern produktiv bleiben und nach vorne scheitern, die haben eine größere Innovationskraft. Wenn es Teams z.B. gelingt, Prototypen, in die sie so viel Herzblut reingesteckt haben, als Hilfsmittel, betrachten können, mit denen sie die Welt und die Nutzer besser zu verstehen, dann gelingt es ihnen auch besser, kreativ zu sein.

BT: Was ist, wenn das Team am Ende nicht zu einem Ergebnis kommt? Ist das nicht frustierend?

YCL: Wir wenden unsere Design-Thinking-Ansätze an, nicht, um mit den Teilnehmenden zu einem Endprodukt zu kommen, sondern um zusammen das Werkzeug zu entwickeln, damit sie konstruktiver auf ihre Welt schauen können. Was die Beteiligten lernen, ist, dass die Teamerfahrung, die

YCL: Wir wenden unsere Design-Thinking-Ansätze an, nicht, um mit den Teilnehmenden zu einem Endprodukt zu kommen, sondern um zusammen Werkzeuge zu entwickeln, womit sie konstruktiver auf ihre Welt schauen können. Was die Beteiligten lernen, ist, dass die Teamerfahrung, die Begegnung von Menschen mit verschiedenen Hintergründen wie beispielsweise Menschen mit Behinderungen einen großen Wert an sich darstellt, neben dem Innovationsprozess, der gelernt wird: Das Ergebnis einer Teilnahme bei Match My Maker kann sein: „Ich kann selbst erfahren, wie ich meine eigenen Hürden abbauen kann“, oder Studierende nehmen mit: „Ich habe erfahren, wie ich ein Produkt aus der Nutzerperspektive entwickeln kann, wobei es nicht einfach ein Nutzer ist, sondern ein Mensch, zu dem ich sogar eine Freundschaft aufbauen kann.“ In so einem Fall steigt die Motivation natürlich enorm, gemeinsam ein Projekt für den Menschen zu entwickeln und es sogar über mehrere Zyklen hindurch zu verbessern. Das Ergebnis unserer Arbeit sind also neben neuen innovativen Open Source Hilfsmitteln vor allem Soft- Skills-Aspekte und bleibende Beziehung. Das heißt, unsere Arbeit an der Plattform und die der ehrenamtlich arbeitenden Teams haben auch eine gesellschaftliche Dimension.: Wie gestaltet man eine wirklich inklusive Gesellschaft. Wie arbeiten wir in inklusiven Teams auf Augenhöhe miteinander, vertrauen einander, entwickeln eine gemeinsame Vision und lernen gemeinsame Entscheidungen zu treffen.

BT: Einiges davon kennen wir schon aus Manager- oder Mitarbeiterseminaren von StartUps oder großen Firmen. Was ist das Innovative daran?

YCL: Ja, die Instrumente, die wir benutzen, sind bekannt. Design Thinking ist ein Ansatz, der zum Lösen von Problemen und zur Entwicklung neuer Ideen genutzt wird, mit dem Ziel, Lösungen zu finden, die aus Nutzersicht überzeugend sind. Das unterrichten sowohl ich als auch Isabelle Dechamps, die Gründerin von be able, an der D-School, einem Studiengang des Hasso Plattner-Instituts der Uni Potsdam. Wir nutzen ja auch Ansätze aus New Work und Agilem Arbeiten, was momentan in Startups und in Unternehmen stark verbreitet ist. Was wir mit diesen Ansätzen gemeinsam haben ist, dass auch wir versuchen Menschen zu empowern, eigenen Lösungen zu entwickeln und in Teams selbstständig und mit flachen Hierarchien zu arbeiten. Neu ist, dass wir bei BeAble oft mit sozialen Randgruppen arbeiten. Diese kombinieren wir immer mit Menschen, die besser gestellt sind, oder die mit diesen Gruppen arbeiten, - z.B. mit Mitarbeiter*innen von sozialen Trägern - , um aus der Begegnung die Synergien aus den verschiedenen Feldern zu gewinnen. Die einen lernen was die Zielgruppen, mit denen sie täglich arbeiten, wirklich brauchen, und die anderen erleben sich selbst durch die Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter*innen ganz : nicht als Opfer und Bittstellende, sondern als Menschen, mit denen man auf Augenhöhe zusammenarbeitet, um gemeinsam Lösungen zu finden.

BT: Gelingt das, obwohl die Beziehungen zwischen den Beteiligten, die sich täglich begegnen, möglicherweise nach eingefahrenen Mustern vorbelastet ist?

YCL: Es gibt Beispiele, bei denen es funktioniert hat und die Mitarbeiter*innen begeistert waren. Wir arbeiten seit fünf Jahren in NRW an Projekten mit Suchtpatienten in forensischen Kliniken. Anfangs haben wir Betreuer*innen, Ärzt*innen, Klinik- und Aufsichtspersonal und auch Externe- aus Jobcentern, Supermärkten, Logistikunternehmern - in Teams zusammengebracht und haben gemeinsam Konzepte für eine bessere Reintegration entwickelt. Tatsächlich wurden viele Reintegrationskonzepte für gut gefunden und eins etabliert, und in einer der Kliniken ist dieser Ansatz fest in die Therapie integriert worden.

BT: Gelingt es also oft, dass Euer Ansatz als Praxis etabliert werden kann?

YCL: Das passiert nicht so oft wie wir es uns wünschen. Hier war das möglich, weil die Institution selbständig über ihre eigenen finanziellen Mittel entscheiden konnte. Vielen großen sozialen Träger haben durch die festgelegten Bezuschussungen von Kassen und Ämtern weniger Spielraum für Experimente. Mitarbeiter*innen in sozialen Organisationen haben außerdem oft einen Blick auf die Zielgruppe, der eher paternalistisch ist. Für sie ergibt sich selten die Gelegenheit mit Menschen, die sie betreuen, auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Auch wenn sie es sehr bereichernd finden, schafft diese neue Situation oft erstmal Unsicherheit. Aber konkrete Faktoren, wie die Ressourcen, spielen auch eine große Rolle. Bei Match My Maker suchen wir noch nach Wegen, um z.B. mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung zusammenzuarbeiten. Manchmal scheitert es einfach an der Tatsache, dass das betreuende Personal zu wenig Zeit hat. Das hat sich erst recht gezeigt, als wir unsere Aktivitäten online gestellt haben. Die Teilnehmenden sind auf die Unterstützung ihrer Betreuer*innen angewiesen, um online auf der Plattform aktiv zu sein, und die Zeit, die diese ihnen widmen können,

BT: Das bedeutet, es wären mehr Personal und mehr finanzielle Ressourcen notwendig, damit sich diese Projekte etablieren?

YCL: Der Inklusionsaktivist Raul Krauthausen setzt sich z.B. stark dafür ein, dass die Bildung und Betreuung von Menschen mit Behinderungen anders aufgefasst wird von der Mehrheitsgesellschaft, dass sie mehr als produktives Mitglied der Gesellschaft wahrgenommen werden, als eine Betreuungsnotwendigkeit. Das müsste sich z.B. ändern. Wenn die Gesellschaft verstehen würde, dass Menschen mit Behinderungen eine produktivere Rolle in der Gesellschaft einnehmen könnte, dann gäbe es mehr Geld und der Umgang mit ihnen würde sich auch ändern.

BT: Wie finanziert sich be able e.V.?

YCL: Wir haben eine Mischfinanzierung: etwa zu 5% aus Spenden, zu ca. 25% haben wir einen Wirtschaftsbetrieb (Unternehmen und Organisation beauftragen uns mit Workshop und Projekten), und 70% sind Fördermittel. Aktuell haben wir 4 Projekte und meist sind die Fördermittel in Kooperation mit anderen Partnern akquiriert. Für die „Hacky Days“ z.B. mit „Junge Tüftler“, einer Initiative, die Medienbildung und Programmieren mit jungen Menschen macht. Da kamen die Mittel vom Stifterverband. „Match My Maker“ ist aktuell von Google.Org finanziert, und ein neues Projekt mit einer JVA, das nächstes Jahr startet, ist vom Berliner Senat gefördert. Letztes Jahr hatten wir für ein anderes Projekt Mittel vom Ministerium für Bildung und Forschung. Und die Dokumentationsplattform „Careable“, wo die Lösungen veröffentlicht werden, ist vom EU-Programm Horizon 2020 finanziert.

BT: Wie geht es weiter für die Projekte bei be able? In welche anderen Bereiche könnte Ihr Ansatz übertragen werden?

YCL: Wir suchen nach wie vor Spenden und Fördermittel für Match My Maker. Für zukünftige Ausbaustufen unserer Plattform haben wir auch Sponsoringkonzepte entwickelt, die Firmen als CSR-Maßnahme ansprechen könnten (z.B. Baumärkte). Das, was wir machen, geht stark in den Bereich Bildung- und Inklusionsförderung. Wir glauben daher, dass noch mehr Bildungs- und soziale Institutionen mit uns zusammenarbeiten könnten, um unseren Ansatz in ihrer Praxis zu übertragen. Potentiale sehen wir aber auch bei Institutionen oder Unternehmen, die Produkte für Menschen entwickeln: da macht dieser inklusive Ansatz besonders viel Sinn. Bei einem anderen Projekt „Moabit Hürdenfrei“, führen wir z.B. mit dem dortigen Quartiersmanagement Partizipationsprojekte mit der Nachbarschaft durch, um den Stadtteil inklusiver zu gestalten und arbeiten hierfür mit vielen lokalen zivilgesellschaftlichen Institutionen zusammen. Da können wir uns gut vorstellen noch stärker mit den Behörden wie der Stadtplanung oder dem Bürgeramt zusammenzuarbeiten: je mehr die Umgebungen und Produkte mit den Menschen, die sie nutzen und darin leben, gestaltet werden, umso sinnvoller und lebensfreundlicher werden sie.

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